Leseprobe 2
Obwohl Onkel Teds Rede wirklich gelungen war,
räumte er später ein, während ihrer Vorbereitung von ziemlich
unangenehmen, ja aufrüttelnden Gedanken geplagt worden zu sein. Er
bekannte sogar, dass ihre Anfertigung ihm keinesfalls leicht gefallen
sei. Nicht allein, weil – nun ja, weil ihm der ganze gefühlvolle Kram
vergangener Zeiten dabei wieder hochkam, sondern weil er sich am Ende
doch ziemlich unsicher war, worin die Leistung eines Lebens überhaupt
lag: “In eurer Ehe?” Erwartungsvoll sah er Vater an. “In deiner
Karriere? In der Höhle, die deinen Namen trägt? – Oder hast du dich
nicht viel mehr in deinen Verletzungen bewährt? Im Verwinden deiner
Enttäuschungen, im Begraben deiner Hoffnungen, in der Trauer um dein
missbrauchtes Vertrauen und die Verluste, die nicht wieder gut gemacht
wurden, ja für die es nicht einmal ein Bedauern gab -; in deiner Antwort
auf Übervorteilung, Hintergehung, Verrat? Nicht, dass ich die
highlights, die ich da vorhin aus deinem Leben herausgepickt habe,
herabwürdigen will, aber ich glaube -”, und hier nun fing sein
Zeigefinger an sich zu heben, bis er vor seiner verknubbelten Nase stand
– “Inzwischen nämlich glaube ich wirklich, dass unser aller Leistung
darin liegt, wie wir bewältigen, wozu uns die Wirklichkeit zwingt.
Wirklichkeit, Kinder -”, und damit nahm er jetzt seine Großnichten ins
Visier, “Wirklichkeit ist das, was im Zusammenstoß mit anderen Körpern
geschieht!” – Aber die Drei schauten ihn so ratlos an, dass er einlenken
musste: Berührungen könnten ja auch schmeichelhaft sein, zärtlich,
manchmal durchaus verführerisch – Doch auch diese Variante schien noch
kein Thema für sie zu sein. “Wenn ihr behaltet”, trat er deshalb den
Rückzug an, “wenn ihr behaltet, dass ihr in der Berührung mit anderen
Körpern entscheidet, welches Leben ihr lebt, soll’s vorläufig genug
sein.”
Mit einer Kugel also, Sinnbild der Harmonie, dürften sie Onkel Ted zu seinem Geburtstag auf keinen Fall kommen. Wie aber, wenn sie – Frances – hier ein Gebilde fände, das die Entstehung einer Kugel erahnen lässt: Masern, die sich im Beugen und Biegen auf eine Weise zusammenfügen, dass man den Eindruck einer kugeligen Schale gewinnt – Wenige Masern der äußeren Schale also – nur an ihnen wäre Onkel Ted interessiert …